

Norma Villada über die Gründung ihres vegetarisches Restaurant, aktive Stadtgestaltung und Mitbestimmung
Sehr leckeres Essen ist die beste Methode, um die Menschen zu erreichen.
2015 hat Norma Villada das vegetarische und vegane Restaurant "Salute" im Mainzer Bleichenviertel eröffnet. Die Arbeit in diesem Viertel hat sie geprägt und dazu gebracht, neue Pläne für ein lebenswerteres Miteinander zu schmieden.
Interview: Daniela Mahr, Dezember 2018
Foto: Cecilia Sträter
Wie kamst du auf die Idee, dein Restaurant „Salute“ zu eröffnen?
Ich
bin Yogalehrerin, Ernährungsberaterin und habe mich vor dreißig Jahren
zur Lehrerin für Heilküche ausbilden lassen. Spezialisiert habe ich mich
auf Kräuterküche und Aromatherapie und das in Wiesbaden unterrichtet.
Ursprünglich stamme ich aus Argentinien, wohne in Mainz-Kastel und habe
von 2005-2010 in Valencia gelebt. Während meiner Zeit als Lehrerin in
vegetarischer und veganer Ernährung habe ich gemerkt, dass die Nachfrage
immer größer wurde und mehr Workshops bei mir gebucht wurden. Da es
damals noch kein vegetarisches oder veganes Restaurant in Mainz gab, lag
es für mich nahe, eins zu eröffnen. Ich habe mich für ein vegetarisches
anstatt für ein veganes Restaurant entschieden, weil ich bereits als
Dozentin die Erfahrung machte, dass man mit Dogmatismus nicht weit
kommt. Um viele Menschen zu erreichen, muss man offen sein. Die beste
Methode, um vor allem kritische Menschen zu erreichen, ist sehr leckeres
Essen (lacht). Fast 80% der Gerichte hier sind vegan, aber es fällt den
wenigsten auf.
Die größte Herausforderung ist es, als Frau alleine Unternehmerin zu sein.
Was waren die Herausforderungen bei der Gründung?
Die größte Herausforderung ist es, als Frau alleine Unternehmerin zu sein. Und zwar in allen Bereichen.
Hast du das Gefühl, dass es als Frau besonders schwierig ist?
Mmmh, ja.
Es gilt, alle zu überzeugen. Davon, dass deine Idee gut ist und dass dein Businessplan funktionieren wird, damit die Bank Dir den Kredit für dein Vorhaben gibt. Es ist harte Arbeit, alle Zweifler:innen zu überzeugen. Vor allem die ersten zwei Jahre sind finanziell sehr schwierig. Eine andere Herausforderung war die Lage des Restaurants. Mir war zu Beginn nicht bewusst, wie schwierig genau diese Ecke ist. Vorher war ich in Wiesbaden und konnte es deshalb nicht so gut einschätzen wie jemand, der in der Nachbarschaft wohnt. Die Ecke um die Mittlere Bleiche ist nicht besonders beliebt und gilt als sozialer Brennpunkt.
Wie bist du mit den Herausforderungen umgegangen?
Ich bin jetzt im dritten Jahr und da wird es in finanzieller Hinsicht besser. Man muss wie überall zuerst säen und dann auf die Ernte warten. Während dieser Durststrecke machen viele ihr Unternehmen wieder dicht. Wenn du ein finanzielles Polster oder einen Kredit hast, dann hält es Dich über Wasser. Das Restaurant ist wie ein Baby, das wächst. Am Anfang konnte ich es gar nicht alleine lassen, mittlerweile sind ein paar Tage möglich, aber ich muss immer in der Nähe bleiben.
Was die Lage
des Restaurants betrifft, dachte ich mir, dass Nachhaltigkeit ja nicht
nur darin besteht, in welchem Behälter wir unseren To-Go-Kaffee zu uns
nehmen, sondern dass wir auch weiter und globaler denken müssen. Ich kam
zu dem Schluss, dass es ganz und gar nicht nachhaltig ist, wenn wir dem
Bleichenviertel, das über so viele Ressourcen verfügt, den Rücken
zuwenden. Nicht zufällig gibt es hier einen sehr hohen Ausländeranteil.
Die Menschen fühlen sich wie in einem Ghetto zurückgelassen. Rund um die
Kneipen gibt es abends auch natürlich viel Gewalt und Lärm, dann
beschweren sich die Nachbarn. Ja, und ich bin mit meinem Restaurant
genau mittendrin und höre mir die Geschichten der Menschen an, die zu
mir kommen. Heute denke ich, dass es vielleicht einen Sinn ergibt, dass
ich genau hier gelandet bin.
Nur, wenn wir viele sind, können wir wirklich Muster der Stadt verändern.
Du sagst, du möchtest dich dem Bleichenviertel annehmen. Welche Ideen hast du?
Die Situation im Viertel nehme ich zum Anlass und möchte ein
Bleichenviertelfest veranstalten. Hier sollen alle Nachbarn teilnehmen
und alle Kulturen zusammen kommen. Alle, denen ich davon erzählt habe,
sind absolut begeistert von der Idee und wollen mitmachen. Das ist ein
Projekt, das viel Zeit und Energie kostet, aber es ist es wert. Ein
weiteres Problem ist, dass dieses Viertel abhängig von der Altstadt ist.
Denn hochoffiziell befinden wir uns hier im Altstadt-Bezirk.
Du
kennst mittlerweile die Akteure, die sich für ein zukunftsfähiges Mainz
einsetzen ganz gut. Was ist Dir über die Jahre besonders aufgefallen?
Dass es nicht einfach ist. Die Mainzer sind sehr stolz. Aber es ist gut, dass es ein paar Leute hier gibt, die dennoch die Initiative ergreifen. Judith Drewke ist zum Beispiel sehr engagiert. Ich bin eine Person, die sich gerne integriert und in Gruppen arbeitet. Wenn jemand fragt, wer einen Verein für etwas Gutes mitgründet, bin ich auf jeden Fall dabei (lacht). Wir sollten daran denken, dass es alleine viel weniger Spaß macht. Nur, wenn wir viele sind, können wir wirklich Muster der Stadt verändern und mehr Menschen erreichen.
Wen oder was sollte man in Mainz auf keinen Fall übersehen?
Wer künstlerisch interessiert ist, sollte das Peng nicht verpassen.
Hier gibt es immer etwas zu entdecken. Wer einen Schreibtisch zum
Arbeiten sucht, findet den im Co-Working M1. Dann gibt es einige
spannende Akteure im Einzelhandel. Zum Beispiel die Kaffeekommune, Jas
Slow Fashion oder The Statement Thing, wo auch meine Tochter arbeitet.
Man muss den Menschen das Gefühl geben, dass ihre Stimme wirklich zählt und sie Einfluss haben.
Wenn du die Zukunft von Mainz bestimmen könntest, was würdest du sofort angehen?
Ich
würde sofort dafür sorgen, dass vor allem in den kleinen Straßen keine
Autos mehr fahren. Eine Einfahrt zu bestimmten Uhrzeiten könnte man
zulassen. Ich würde mehr Geld in die Gebäudesanierung investieren. Mit
der Jugendministerin Spiegel sprach ich bereits darüber, dass wir
dringend ein kreatives Programm für Flüchtlingsfrauen brauchen. Mit
aktuellen und künftigen Müttern zu sprechen ist besonders wichtig, um
unsere Werte zu vermitteln. Wenn wir erst in zehn Jahren mit ihnen
sprechen, dann haben wir viele vermutlich schon verloren und es sind
Parallelgesellschaften entstanden. Hier würde ich mehr investieren. Wie
schön wäre es, wenn viele verschiedene Gastgeberinnen ihre Räume zur
Verfügung stellen könnten? Wenn ich die Zeit hätte, wäre das mit
Sicherheit mein Hauptprojekt. Wenn jemand anderes die Zeit hat, helfe
ich auch gerne mit. Als Gastronomin kann ich das aber nicht alleine
stemmen. Ich würde mein Restaurant für ein oder zwei Stunden am Tag als
Raum dafür anbieten. Aber es braucht jemanden, der das Projekt
koordiniert.
Die Menschen aus Mainz sollten sich mehr an den
Entscheidungen der Stadt beteiligen. An unserem Umfeld sind nicht nur
die Politiker Schuld, sondern auch wir selbst. Es wäre toll, wenn es von
der Stadt Mainz ein offizielles Online-Voting gäbe, das die Stimmen der
Menschen regelmäßig einfängt und sie ernst nimmt. Man muss den Menschen
das Gefühl geben, dass ihre Stimme wirklich zählt und sie Einfluss
haben. Dann beteiligen sie sich auch gerne.