28/05/19 · Interviews
Severin von Hoensbroech verwandelt das Schloss Türnich in ein Phantasialand der Permakultur
Wir schaffen ein Erfahrungsfeld für die lokalen Kreislaufprozesse.
Severin von Hoensbroech ist Schauspieler, Regisseur, Psychologe, Trainer, Berater, Verwalter von Schloss Tuernich und Demeter Obstbauer. Das Schloss hat eine lange Geschichte und ist nun ein ganz besonderer Ort, an dem Nachhaltigkeit gelebt wird.
Interview: Daniela Mahr, Dezember 2018
Foto: von Hoensbroech
Wie kam es dazu, dass Du Verwalter von Schloss Türnich wurdest?
Ich
bin studierter Psychologe. Wurde dann Regisseur und Schauspieler und
mache jetzt sehr viel Führungskräfteentwicklung, trainiere Manager und
Politiker für gutes Auftreten. Schloss Türnich
ist ein alter Familienbesitz. Mein Vater fing bereits in den 80er
Jahren mit der Demeter-Landwirtschaft an. Ich habe die Verwaltung
übernommen, weil ich von dem Projekt überzeugt bin und wollte, dass es
weiterlebt. Die Entscheidung, das Schloss zu übernehmen, war nicht
leicht, weil es hoch verschuldet war und grundrestauriert werden musste.
Meine Familie und ich haben uns dann aber dazu entschieden, das ganze
groß anzugehen und sind vor vier Jahren von Köln in das bewohnbare
Vorhaus gezogen.
Mein Vater fand schon immer, dass die Themen Landwirtschaft, Landschaft und Naturschutz zusammengehören.
Was war die Motivation Deines Vaters, das Schloss in einen Landschaftspark dieser besonderen Art zu verwandeln?
Mein Vater arbeitete bei dem Pharmakonzern Bayer. Dort wurde er schwer krank. Sein Arbeitgeber hat ihn dann mit allen Medikamenten und Mitteln vollgepumpt, die man sich vorstellen kann. Das Ganze hatte natürlich grauenhafte Nebenwirkungen. Er ging am Schluss an zwei Krücken und wäre fast gestorben. Wie es bei schwer kranken Menschen oft der Fall ist, ging er von Arzt zu Arzt. Unter ihnen war auch jener, der ihn durch Naturheilverfahren und ganzheitliche Medizin zur Genesung verhalf. Nach dieser Erfahrung war für meinen Vater klar, dass er die Arbeit bei dem Pharmakonzern nicht mehr mit seiner Einstellung und seinem Leben vereinbaren konnte.
Mein Vater fand schon immer, dass die Themen Landwirtschaft, Landschaft und Naturschutz zusammengehören. In unserer Welt (in Deutschland) stehen die Themen – wenn wir Glück haben – nebeneinander, oft aber auch weit entfernt voneinander.
Die Region ist durch den Braunkohleabbau schwer belastet und hat eine postindustrielle Landwirtschaft hinterlassen. Mein Vater hat als Maßnahme seinerzeit einfach kilometerweit Doppelhecken gepflanzt und in die Zwischenbereiche Obstbäume eingefügt, um die Landschaft wieder aufzubauen. Dreißig Jahre später ist daraus eine wunderschöne Landschaft nach den Grundprinzipien von Goethe entstanden.
Du selbst hattest aber auch besondere Erlebnisse, die Dich an die Idee und Zukunft des Schlosses glauben ließen.
Ja, richtig. Als Regisseur mache ich immer wieder mal ein großes Laientheater-Projekt. Veranstaltet wird das auf dem Biobauernhof Hofgut Habitzheim von Felix Löwenstein in der Nähe von Darmstadt. In den Theaterstücken spielt er auch selbst mit. Er ist wirklich ein beeindruckender Mensch, der mich sehr inspiriert. Felix hat das Buch „Food Crash“ geschrieben. Die Entstehung seines Buches „Food Crash“ habe ich miterlebt und brachte den Inhalt anschließend auf die Bühne. Außerdem ist die Geschichte des Hofes beispielhaft. Die Familie Löwenstein bewirtschaftet den Hof seit den neunziger Jahren in Naturland-Qualität.
Ein Erfahrungsfeld für die lokalen Kreislaufprozesse.
Was ist Deine Vision für das Schloss Türnich?
So ein Schloss hat ja eine Kreislaufgeschichte. Früher war ein Schloss auch kulturelles und soziales Zentrum. Was wir in Schloss Türnich entwickelt haben, soll genau so etwas sein: Ein Erfahrungsfeld für die lokalen Kreislaufprozesse. Wenn man will „Ein Phantasialand für Permakultur“. Das geschieht, in dem man die Landwirtschaft wirklich erfahrbar macht. Wer es selbst sieht und erlebt, geht mit leuchtenden Augen wieder nach Hause.
Und ich glaube, dass es so einen Ort im Westen der Republik einfach nicht gibt. Mit den Theaterstücken konnte ich auch schon viele Menschen bewegen, aber am Ende des Tages lässt es sich doch am besten vermitteln, wenn man es zeigen kann. Wenn auch klassische Landwirte sich das anschauen können und sehen, wie gut das funktioniert und wie viele Erträge man erwirtschaften kann, dann hat man eine viel bessere Argumentationsgrundlage.
Wir machen weiter, ohne uns oder die Idee dabei zu verraten und sind vorsichtig, mit wem wir zusammenarbeiten und mit wem nicht.
Was waren die größten Herausforderungen, seit Du die Verantwortung übernommen hast und wie bist Du damit umgegangen?
An einem solchen Ort reicht es nicht, ein kleines Café aufzumachen (was wir gemacht haben) und zwei, drei Räume zu vermieten. Dieser Ort verdient und braucht einen großen Wurf. Das Grundkonzept von Schloss Türnich steht und fällt mit der Landwirtschaft und Permakultur.
Finanziell ist ein solches Projekt wirklich eine große Herausforderung. Ich konnte dann zum Glück einiges an Fördermitteln gewinnen. Wir haben vor auch kurzem eine Stiftung gegründet -Die Kultur und Natur-Stiftung Schloss Türnich.
Gerade, wenn man ein Leuchtturmprojekt aufbauen möchte, muss man einiges investieren. Und als Familie ist es für uns natürlich auch eine Herausforderung, weil es derzeit ein Großhobby ist. Daneben habe ich meinen normalen Job, mit dem ich meine 6-köpfige Familie ernähren muss.
Aber die Zielvorstellung und die Idee eines wundervollen Ortes treibt uns voran. Wir machen weiter, ohne uns oder die Idee dabei zu verraten und sind vorsichtig, mit wem wir zusammenarbeiten und mit wem nicht.
Wie siehst Du die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung? Was läuft schief, was gibt Hoffnung?
Ich finde, dass der Fokus in der Gesellschaft falsch gesetzt ist. Das Thema der Nahrungsmittelproduktion ist essenziell für unseren Planeten. Sie ist massiv mitverantwortlich für den Klimawandel. Die Landwirte selbst sind nicht daran schuld. Wir sind alle in ein System hineingerutscht, das unseren Planeten wirklich bedroht. Das wird leider viel zu selten erwähnt.
Die Menschen sehen den Zusammenhang nicht. Vor kurzem wurden Spenden für Trinkwasser in Kenia gesammelt. Die Menschen spendeten und setzen sich danach zusammen um Fischstäbchen übelster Herkunft zu essen und man denkt sich: „Warum seht ihr denn den Zusammenhang nicht?“
Und in Bezug auf Köln?
Köln ist sehr aktiv in genau diesen Bereichen. Das ist wirklich toll. Deshalb gibt es ja auch in Köln den ersten Ernährungsrat Deutschlands. Es gibt zahlreiche Urban Gardening Initiativen und ein kaufkräftiges Publikum für biologische und faire Nahrungsmittel.
Ein Wermutstropfen ist, wenn eine in Köln ansässige große Supermarktkette sich mit regionalen Produkten zu schmücken versucht und das als Marke nutzt. Bedauerlicherweise ist die Bezeichnung „regional“ nicht mit vernünftigen Kriterien hinterlegt. Da liegt ein klares Problem.
Ich falle immer fast vom Stuhl, wenn ich sehe, dass regionale Produkte teurer verkauft werden als biologische. Menschen denken oft, der Transportweg würde etwas ausmachen. Aber den Apfel sechs Monate im Kühlhaus liegen zu lassen, wirkt sich wesentlich schlimmer auf die CO2-Bilanz aus, als ihn aus Neuseeland einschiffen zu lassen.
Es gibt eine ganze Menge landwirtschaftliche Initiativen rund um Köln, die wirklich viel machen und Grund zur Hoffnung geben. Da liegt ein wirkliches Potenzial. Je mehr Landwirte sich von der Idee anstecken lassen, desto besser.
Und zum Abschluss: Dein besonderer Ort in Köln?
Neben dem Schloss Türnich, das mein ganz besonderer Ort ist, finde ich, dass der Kölner Grüngürtel ein Meisterstreich von dem Herrn Konrad Adenauer, dem damaligen Bürgermeisters, war.